Den Kern der Thalkirchner Straße bilden der Schlachthof und die Großmarkthalle, drum herum tummeln sich deshalb jede Menge fantastischer Restaurants, Cafés und Bars. Ein Besuch in einer der leckersten Straßen Münchens.
Die drei Kilometer lange Thalkirchner Straße verbindet gleich drei Stadtteile miteinander – das Glockenbachviertel, den Schlachthof und Sendling. Wer die bunte und abwechslungsreiche Straße besuchen möchte, sollte daher nicht nur Zeit mitbringen, sondern vor allem Lust auf Spazieren. Wir starten am Sendlinger Tor, hier hat die Straße ihren Ursprung und zeigt sich gleich einmal von ihrer lebendigsten Seite: Es reihen sich Cafés an Restaurants, Schanigärten an Blumenläden. Auf jedem Zentimeter ist etwas los, bevor der Alte Südfriedhof eine kleine Pause verspricht.
Doch zuerst einmal zurück zur „Fressmeile“ in der Thalkirchner Straße. Viele Straßen, die so lang sind, tun sich wahnsinnig schwer mit einem roten Faden – vor allem, wenn sie zudem durch verschiedenen Stadtteile führen – doch bei der Thalkirchner Straße ist es irgendwie ganz leicht: Es geht einfach um's Essen. Den Kern bilden Schlachthof und Großmarkthalle, drum herum tummeln sich deshalb jede Menge fantastischer Restaurants, Cafés und Bars.
Qualität bekommt man im Viertel beinahe nachgeworfen: Jeden Morgen am Großmarkt, an jeder Ecke im nächsten Gemüseladen. Rund um Münchens Bauch schlechte Lebensmittel einzukaufen, das ist fast unmöglich.
Dabei liegt der Fokus gar nicht so sehr auf der Internationalität der Küche – obwohl man hier auch nach Lust und Laune Asiatisch, Italienisch oder Spanisch essen kann – sondern es geht vor allem um Frische, Regionalität und Qualität. Die bekommt man beinahe nachgeworfen: Jeden Morgen am Großmarkt, an jeder Ecke im nächsten Gemüseladen. Rund um Münchens Bauch schlechte Lebensmittel einzukaufen, das ist fast unmöglich.
Weil das Viertel kulinarisch hoch entwickelt ist, ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass die noch recht kleine Münchner Craftbeer-Szene sich vor allem hier ansiedelt. Als erste Craftbeer-Bar gilt das Frisches Bier, das 2018 in der Thalkirchner Straße eröffnete. Dahinter steckt Braumeister Tilmann Ludwig, der in seiner Bar ausschließlich das Bier von kleinen Brauereien ausschenkt – inklusive natürlich seiner eigenen. Eine Erfolgsgeschichte, die man sich nicht nur im Schlachthofviertel gerne erzählt.
Die Qualität schmecken wir gleich im Usagi, ein Restaurant im Izakaya-Stil noch im Glockenbachviertel. Izakaya bedeutet so viel wie „Sake im Sitzen“, erklärt uns Restaurantbetreiber Philipp. Ein Izakaya ist eine Mischung aus Restaurant und Bar – und punktet eher mit Kneipenflair als mit weißen Tischdecken. Diese entspannte Atmosphäre zwischen Bar-Tischen und lauter Musik wissen auch einigen Münchner Sterneköche zu schätzen, die im Usagi regelmäßig zu Gast sind, erzählt uns Philipp. Er selbst hat bei dem Fernsehkoch Holger Stromberg gelernt.
„Es ist eigentlich die einzige Straße in München, die einen echten Kiez-Charakter hat. Heute reiht sich ein Laden an den anderen – und doch gehören alle irgendwie zusammen.“
Bevor er das Usagi eröffnete, hatte er gleich nebenan das Palau – in dem winzigen Laden, der fast nur aus einem großen Tresen bestand, bestellten die Gäste Tapas und spanischen Schaumwein. Im Usagi setzt man dagegen auf bayrisch-japanisch – wie bei Spareribs mit Coleslaw und Wasabi-Mayo oder der gegrillten Aubergine mit Miso. Auf der Tageskarte steht eine Bio-Kuh vom Tegernsee, eine Mischung aus Wagyu und Simmentaler Rind. Philipp möchte wissen, wo sein Fleisch herkommt. Außerdem findet er es wichtig, das ganze Tier zu verwerten – auf der Karte landen also auch mal Innereien.
An der Thalkirchner Straße gefällt ihm das Lebendige: „Es ist eigentlich die einzige Straße in München, die einen echten Kiez-Charakter hat. Als wir 2012 mit dem Palau angefangen haben, gab es noch nicht viel Gastro hier, heute reiht sich ein Laden an den anderen – und doch gehören alle irgendwie zusammen.“
Wir laufen die Thalkirchner Straße weiter über den ruhigen Alten Südfriedhof. Auch hier bleibt die Gastronomie nicht außen vor: Viele ehemalige Brauereibesitzer haben hier ihre Familiengrabstätten, genauso wie Johann Conrad Develey, der Erfinder des süßen Senfs. Die Friedhofsmauern aus Backstein verraten schon, in welches Viertel es gleich geht: das Schlachthofviertel. Rund um die Großmarkthalle finden sich für München nämlich erstaunlich viele Klinkerbauten. Das neue Volkstheater wurde ebenfalls in diesem Stil gebaut, damit es sich gut in das Gesamtbild einfügt. Die denkmalgeschützten Ziegelhäuser daneben sind dagegen teilweise schon 150 Jahre alt. Die Eröffnung des Volkstheaters im Herbst 2021 könnte auch die Straße noch einmal gravierend verändern und mehr Publikum bringen.
Wie es der Bahnwärter Thiel schon getan hat: 2015 eröffneten Daniel Hahn und sein Team den Kreativort auf dem Gelände des ehemaligen Viehhofs, vor ein paar Jahren zogen sie keine 400 Meter weiter. Heute arbeiten hier Dutzende Kreative in ausrangierten Schiffscontainern, in den alten U-Bahn-Waggons wird gefeiert, es finden Konzerte, Lesungen und Workshops statt. Das einmalige Gelände mit Graffiti-Wänden, Lagerfeuerstellen und Outdoor-Tanzflächen hat natürlich jede Menge Werbung für den Schlachthof gemacht – immer mehr junge Leute kommen, und damit wird das Viertel auch ein beliebteres Wohngebiet.
Carmen vom Moss design store stellt fest, dass sich vor allem seit der Alten Utting etwas verändert hat: „Seit der Eröffnung kommen viel mehr Menschen von anderen Vierteln und Touristen vorbei." Für ihr Geschäft ist es gut: Carmen und ihr Mann bieten mit ihrem Innenarchitektur Studio schon seit vielen Jahren Interior-Beratung an, neu dazugekommen ist der kleine Laden, in dem man toll ausgewählte Möbel und Wohnaccessoires findet – teilweise auch von kleinen Labels, die es deutschlandweit nur hier zu kaufen gibt.
Die Thalkirchner Straße ist für sie wie ein Horizont, der sich in zwei Seiten teilt: rechts das lebendige Glockenbachviertel, links das ruhigere Sendling.
Die beiden haben ihr Büro schon seit 20 Jahren in der Thalkirchner Straße. Was hat sich verändert? „Die Straße wird internationaler. Ich bin aus London hergezogen, früher habe ich mich hier noch wie eine Ausländerin gefühlt, heute ist das zum Glück anders." Carmen und ihr Mann wohnen im benachbarten Viertel Giesing, dort sei die Entwicklung noch nicht ganz soweit voran geschritten wie im Schlachthof: „Das Viertel wird jünger, man sieht immer weniger alte Menschen auf der Straße – und die, die man sieht, sind sehr trendig angezogen", erzählt Carmen und lacht.
Die Thalkirchner Straße ist für sie wie ein Horizont, der sich in zwei Seiten teilt: rechts das lebendige Glockenbachviertel, links das ruhigere Sendling. Wenn Carmen und ihr Mann Mittagspause machen, trifft man die beiden oft am Gotzinger Platz. Hier kann man nämlich vielfältig und fantastisch essen – von Italienisch, über Mexikanisch bis Türkisch. Wer etwas Schnelles auf die Hand will, ist bei der Bäckerei Neulinger richtig. Die beiden probieren gerne Neues aus, gerade schwärmen sie für die Fischssuppe im Frischeparadies. In dem Feinkostgeschäft befindet sich nämlich auch ein kleines Bistro.
So quirlig wie es am Sendlinger Tor los ging, endet unsere Tour durch die Thalkirchner Straße überraschend ruhig in einer Wohnsiedlung. Nach der Brudermühlstraße folgt sogar noch eine Kleingartenanlage, wir tauchen ein in das gemütliche Sendling. Auf dem Gelände der Sportanlage Thalkirchen befindet sich das beliebte DAV Kletter- und Boulderzentrum und eine Tennisclub – für alle, die die angefressenen Pfunde wieder herunterbekommen wollen. Es reicht aber auch schon ein Spaziergang durch die Thalkirchner Straße!